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BIOPRO Spezial: Regulation

IVDR – Neue Anforderungen bei In-House-Tests

Mit der IVDR gibt es verschiedene neue, aber auch einige alte Aufgaben für die Labore. Dr. Ariane Pott sprach mit Ulrich Hafen von der Johner Institut GmbH über den Stand der Technik sowie die neuen Übergangsfristen bei Laboratory Developed Tests.

Herr Hafen, was versteht man unter den Laboratory Developed Tests (LDTs)?

Eine Person in einem weißen Laborkittel mit blauen Laborhandschuhen steht vor einer Laborbank auf welcher zahlreiche Probenröhrchen stehen. Im Hintergrund sieht man Laborausrüstung.
In vielen Laboren werden sogenannte In-House-Tests (Laboratory Developed Test, LDT) durchgeführt. © jarmoluk / Pixabay

Viele sagen zu den LDTs auch In-House-Tests. In der IVDR werden beide Begriffe allerdings nicht verwendet. Die IVDR (Europäische Verordnung 2017/746 für In-vitro-Diagnostika) versteht darunter „Produkte, die ausschließlich innerhalb von in der Union ansässigen Gesundheitseinrichtungen hergestellt und verwendet werden“. Von der IVDR sind nahezu alle Labore betroffen, die Diagnostik betreiben, wie zum Beispiel Labore von Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren oder Kleinlabore in Arztpraxen. Es haben wesentlich mehr Labore LDTs im Einsatz als sich dessen bewusst sind. Denn nur wenn man nur einen CE-gekennzeichneten In-vitro-Diagnostik-Assay (IVD-Assay) kauft und diesen hundertprozentig nach Herstellervorgaben anwendet, hat man keinen LDT. In allen anderen Fällen handelt es sich um einen LDT. Das bedeutet, dass, sobald man von der Gebrauchsanweisung abweicht, der Inverkehrbringer nicht mehr verantwortlich ist, sondern das Labor.

Welche Änderungen ergeben sich durch die IVDR?

Es ändert sich weitaus weniger für die in Deutschland ansässigen Labore als die meisten denken. Denn viele der Regularien für die LDTs in Artikel 5 (5) der IVDR gibt es schon jetzt im Medizinproduktegesetz und den dazugehörigen Verordnungen. Allerdings sind den meisten Laboren nicht alle Anforderungen bekannt. Eine besonders wichtige Änderung ist in Artikel 5 (5) d) zu finden. Dieser Unterpunkt besagt, dass das Labor einen Grund dafür liefern muss, dass die „spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe nicht, bzw. nicht auf dem angezeigten Leistungsniveau, durch ein gleichartiges, auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können“. Das bedeutet, dass wenn es ein äquivalentes Produkt mit gleich guten oder besseren Leistungsdaten auf dem Markt gibt, ein Labor dieses Produkt einsetzen muss und nicht den eigenen In-House-Test verwenden darf. Dabei ist noch nicht definiert, was die spezifischen Anforderungen der Patientenzielgruppe sind sowie, was genau unter „gleichartig“, bzw. im Englischen „equivalent“, verstanden wird. Wir erwarten, dass die dazu passenden MDCG-Guidelines (Medical Device Coordination Group), die die entsprechenden Teile der IVDR interpretieren, im 1. Quartal 2022 veröffentlicht werden. Ein weiterer Punkt ist, dass Labore ihr Qualitätsmanagementsystem um detailliertere Angaben zur Entwicklung und Herstellung erweitern müssen. Diese Anforderung war früher nicht explizit gefordert.

Gibt es auch „alte“ Lücken in der Erfüllung der Anforderungen?

Dass der Anhang I der IVDD (Europäische Richtlinie 98/79/EG für In-vitro-Diagnostika) eingehalten werden muss, war schon länger im deutschen Medizinproduktegesetz und der Medizinprodukteverordnung verankert. In der IVDR wird nun die Einhaltung des Anhangs I „Grundlegende Sicherheits- und Leistungsanforderungen“ gefordert. Doch obwohl sich diesbezüglich nichts geändert hat, ist das den wenigsten Laboren bisher bewusst. In diesem Anhang I wurde und wird auch zukünftig der „Stand der Technik“ gefordert. Das bedeutet, dass die Labore verpflichtet sind, sich über aktuelle Normen, Gesetze und Innovationen zu informieren. Sie müssen wissen, was im Bereich der eingesetzten LDTs „State of the Art“ ist. Dieser Stand der Technik muss, zum Beispiel bei der Leistungsbewertung, dem Risikomanagement sowie - und das ist neu - der Software angewendet werden. Die Erfüllung des Anhangs I ist sehr aufwendig. Denn ein Labor muss schauen, ob es bessere Techniken gibt oder alternative Vorgehensweisen vielleicht noch sicherer für den Patienten sind. Es kann sein, dass ein Labor das Portfolio anpassen und die LDTs auch überarbeiten muss.

Wird es Übergangsfristen geben?

Im Oktober veröffentlichte die EU-Kommission einen Vorschlag zu neuen Übergangsfristen, der inzwischen angenommen wurde. Es ist die Gültigkeit der Punkte b) bis i) von Artikel 5 (5) verschoben worden: Punkt d) auf 2028 und die restlichen erwähnten Punkte auf 2024. Dies ist vor allem sinnvoll, weil man dann auch die Leistungsdaten zwischen LDT und CE-IVD-Produkten vergleichen kann, um festzustellen, ob Äquivalenz vorliegt. Dazu benötigen die Labore aber zunächst die veröffentlichten Informationen zu den CE-markierten Tests. Diese werden in der Europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) veröffentlicht, aber die Aufnahme aller Tests in diese Datenbank kann noch dauern. Und einen Datenabgleich ohne die Datenbank durchzuführen, ist nahezu unmöglich. Ganz wichtig zu erwähnen ist, dass der 1. Satz aus Artikel 5 (5) sowie Satz 2 Punkt a) und die auf Punkt i) folgenden Sätze nicht verschoben werden. Sie sind damit ab Mai 2022 gültig. Das bedeutet, dass insbesondere die Forderung nach Erfüllung von Anhang I bestehen bleibt. Die Tests müssen also die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen und nach dem Stand der Technik dokumentiert bzw. auf den aktuellen Stand gebracht werden.

Was wäre aktuell der wichtigste Punkt auf der To-do-Liste der Labore?

Das primäre „To-do“ ist erst einmal die Aktualisierung der Dokumentation. Wenn ein Labor jetzt schon absolut gesetzeskonform wäre, das heißt Anhang I der IVDD schon eingehalten hätte, wäre der Aufwand nicht sehr hoch. Da aber zahlreiche Labore die Anforderungen nicht kennen, ist deutlich mehr zu tun. Viele haben zum Beispiel keine Leistungsbewertung, die dem Stand der Technik entspricht, und sehr rudimentäre Risikomanagement-Systeme. Hier sollte ein Labor auf jeden Fall anpassen, um IVDR-konform werden zu können. Dafür braucht man Zeit und auch ein solides Basiswissen. Besonders im Bereich Software sehe ich noch große Herausforderungen bei der nötigen Fachkompetenz.

Wo sehen Sie die Probleme bei der Software?

Hier ist das größte Problem, dass wahrscheinlich viele Labore Software haben, die unter die Definition eines In-vitro-Diagnostikums (IVD) fällt. Sie haben also IVDs in Form einer Software hergestellt und wissen dies nicht. Und auch für diese IVD-Software gilt es, den Anhang I der IVDR zu erfüllen. Der Stand der Technik ist in diesem Fall die Norm IEC 62304, die bei der Entwicklung eingehalten werden muss. Man muss bedenken, dass eine Excel-Liste sehr schnell durch einige Formeln und Querverweise in den Scope einer IVD-Software fallen kann. Die Grenze zur IVD-Software wird häufig überschritten.

Wie wird die Einhaltung kontrolliert?

Die Überwachung bleibt weiterhin in der Hand der Landesbehörden. Es ist unklar, inwieweit die Landesbehörden zum Beispiel Personal aufstocken und anders vorgehen als bei bisherigen Kontrollen.

Gibt es Ausnahmen, zum Beispiel für Seltene Erkrankungen?

Im Bereich der Seltenen Erkrankungen ist es für viele Labore besonders schwer, eine Leistungsbewertung nach dem Stand der Technik durchzuführen, denn diese Aufwände kosten sehr viel Zeit und damit auch sehr viel Geld. Und somit besteht natürlich auch die Gefahr, dass manche Labore die Tests auf Seltene Krankheiten nicht mehr anbieten, weil sich der Aufwand dafür nicht lohnt. Deswegen sind dringend Ausnahmeregelungen erforderlich. Dazu kommt, dass es bei Tests für Seltene Krankheiten oft schwierig ist, ausreichend Probenmaterial zu bekommen, um eine valide Klinische Studie durchzuführen. In diesem Bereich muss der Gesetzgeber dringend nachbessern, um es möglich zu machen, dass diese Tests weiterhin angeboten werden können.

Wie sieht die Situation bei den Coronatests aus?

Zwei negative Corona-Schnelltests liegen auf einem Tisch. Im Ergebnisfenster ist ein Streifen, der Kontrollstreifen, zu sehen.
In Laboren müssen ab Mai 2022 CE-gekennzeichnete Coronatests durchgeführt werden. © webandi / Pixabay

Zu Anfang der Pandemie waren alle Coronatests In-House-Tests. Aber mit der Zeit kamen immer mehr CE-IVD-Coronatests dazu. Die Tests, die weiterhin als In-House-Tests betrieben werden, müssen die zuvor genannten Anforderungen ebenfalls erfüllen. Wenn Artikel 5 (5) d) gültig wird, müssen Labore allerdings auf die CE-markierten Tests zurückgreifen, und die In-House-Tests dürfen gemäß Verordnung dann nicht mehr verwendet werden.

Was können die Labore machen, wenn es Lieferschwierigkeiten bei den CE-markierten Coronatests gibt?

Wir interpretieren die Verordnung so, dass man, wenn die CE-markierten Tests nicht lieferbar sind, wieder auf den In-House-Test zurückgreifen kann. Denn es heißt, dass die „spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe“ erfüllt werden müssen, und das spezifische Erfordernis der Patientenzielgruppe ist, im Falle von COVID-19 schnellstmöglich einen Test durchführen zu können. Wenn es beispielsweise eine neue Mutation gibt, die durch die CE-Tests schlechter oder gar nicht detektierbar ist, liegt auch eine Rechtfertigung für einen In-House-Test vor. Durch die neuen Übergangsfristen und die Verschiebung der Gültigkeit der zugrundeliegenden Anforderung auf 2028 wird uns aber diese Problematik bezogen auf COVID-19 hoffentlich nicht mehr betreffen.

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