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20. September 2021

Nanomaterialien, Nanopartikel, Nanostruktur?

Egal ob in der Medizintechnik oder bei Haushaltsgeräten – seit einigen Jahren drängen zunehmend Produkte auf den Markt, die auf nanotechnologischen Verfahren beruhen oder durch den Einsatz von Nanomaterialien über zusätzliche Funktionalitäten verfügen. Darunter fallen beispielsweise heparinisierte Medizinprodukte oder auch mit Nano-Silber beschichtete, antibakterielle Oberflächen für Implantate und Haushaltsgeräte. Die Aspekte der „Nanosicherheit“ werden also immer wichtiger, vor allem in der Gesundheitsversorgung.

Doch bereits bei den Begrifflichkeiten herrscht eine gewisse Unschärfe. Meist werden Nanomaterialien als solche bezeichnet, wenn mindestens eine Strukturdimension, innere Struktur oder Oberflächenstruktur im Nanomaßstab liegt. Dieser Begriff wurde daher auch in der ISO 10993 Teil 1:2018 in §3.15 eingeführt. Unter Nanomaßstab wird also meist eine Größe zwischen 1 und 100 nm verstanden, die mitunter aber auch auf bis zu 1 µm ausgedehnt wird, da auch diese Materialien bereits ganz andere Eigenschaften aufweisen als selbige im Makromaßstab (> 1 µm). Zu diesem Thema verweist die ISO 10993 Teil 1 deswegen auf die EN ISO/TR 10993-22 um weitere spezifische Begriffe, wie engineered nanomaterial, incidental nanomaterial, manufactured nanomaterial, nanofibre, nanoparticle, nanoplate, nanostructured material und nanostructure einzuführen. Unter dem Begriff Nanobeschichtung wird dagegen das Aufbringen von Nanostrukturen oder -materialien auf Oberflächen zum Zwecke einer Funktionalisierung verstanden. Hierbei werden Schichtdicken im Nanometerbereich erreicht und die Oberflächen meist auf molekularer Ebene verändert.

Anhand dieser Beschreibungen wird auch direkt ersichtlich, wo einige der Herausforderungen für Biokompatibilitätsprüfungen von Medizinprodukten, die sehr dünne (funktionale) Beschichtungen beinhalten, liegen. Denn die biologische Bewertung jedes Materials oder Medizinprodukts, das für die Verwendung am Menschen bestimmt ist, sollte Teil eines strukturierten biologischen Bewertungsprogramms im Rahmen eines Risikomanagementprozesses gemäß ISO 14971 und ISO 10993-1 sein. Spezifischer ausgedrückt bedeutet dies, dass die Materialien (oder ihre Abbauprodukte, herauslösbaren Stoffe oder Rückstände), aus denen ein Medizinprodukt besteht, das für den Kontakt mit oder im menschlichen Körper bestimmt ist (worunter auch „Delivery Systems“ und Kombinationsprodukte gehören), keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit des Patienten haben dürfen. Wie in ISO/TR 10993-22 dargelegt, muss diese Bewertung auch auf Produkte angewendet werden, die Nanoobjekte als Abbauprodukte oder durch mechanische Bearbeitung erzeugen bzw. freisetzen.

Eine der größten Herausforderungen bei der Bewertung ist sicherlich die Tatsache, dass verschiedene Nanomaterialien, auch wenn sie aus derselben chemischen Substanz bestehen, je nach Bedingungen und Parametern – Größe, Oberflächeneigenschaften (Rauigkeit, Ladung, Ladungsdichte, Hydrophobizität etc.), physikalisch-chemischen Eigenschaften und Zweckbestimmung des Produkts – unterschiedliche toxikologische Risiken aufweisen können.

In Bezug auf diese Risiken wurden bereits einige Methoden und Arbeitsprozesse entwickelt und unter anderem in der ISO 10993 oder in anderen Normen wie der ISO 19007, ISO 29701, ISO 10801 oder ISO 21363 beschrieben. Weitere Vorgehen sind vor allem in den FDA Guidances „Drug products, including biological products, that contain nanomaterial (2022)”, „Assessing the effects of significant manufacturing process changes, including emerging technolgies on the safety and regulatory status of food ingrediens and food contact substances (2014)“ „Safety of nanomaterials in cosmetic products (2014)“, sowie in der ASTM E2834-12 (2018), ASTM E2490-09 (2021) und ASTM E3025-16 (2016) beschrieben. Bei den ASTM-Normen handelt es sich um eher technische und methodische Anleitungen zur Messung der Partikelgröße und -verteilung. Die ISO-Normen hingegen spezifizieren die Bestimmung von Endotoxinen, Zellvitalität oder Verfahren zur Herstellung von Metall Partikeln für Inhalationstoxizitätsprüfungen. Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass noch weitere Leitfäden zur Bewertung der Nanosicherheit verschiedener Nanomaterialien und -strukturen benötigt werden.

Bei der biologischen Bewertung von Nanobeschichtungen können jedoch die Empfehlungen der ISO 10993 nahezu im kompletten Umfang Anwendung finden. Das heißt, dass sowohl die Grundmaterialien als auch die Beschichtung bewertet werden müssen.

Im Folgenden werden wir Ihnen vorstellen, wie die Analyse einer Nanobeschichtung auf Basis von Heparin (als klassisches Mittel gegen unerwünschte Blutgerinnung auf Implantatoberflächen), zu gestalten wäre. Ein indirekter oder funktionaler Nachweis der Beschichtung ist gemäß MDR nicht mehr ausreichend und eine direkte Quantifizierung damit unvermeidbar.

Da Heparin ein pharmazeutischer Wirkstoff ist, muss zunächst sichergestellt werden, wie groß der mobilisierbare, also freisetzbare Anteil, ist. Unter bedarfsorientierten Bedingungen wird die heparinisierte Oberfläche gewaschen und anschließend der Heparinanteil in der Waschlösung zum Beispiel mithilfe eines Coattests spektroskopisch quantifiziert.

Das verbleibende, auf der Oberfläche immobilisierte Heparin muss nicht nur quantifiziert, sondern auch wie der mobilisierbare Anteil in seiner Identität bestätigt werden. Verbunden mit einer häufig geringen Schichtdicke von wenigen Monolagen scheiden viele Analysemethoden bereits aus. Eine Strategie, die alle Anforderungen erfüllt, basiert auf dem selektiven Verdau mit Heparinasen. Die entstehenden Disaccharide können dann mittels HPLC identifiziert und quantifiziert werden, wodurch sowohl Identität als auch Menge des oberflächengebundenen Heparins bestätigt sind.

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